Die Diskussion um das Mindesthaltbarkeitsdatum birgt neue Geschäftsideen
Best by... oder mindest haltbar bis... Die einen werfen’s weg, die anderen essen’s noch. Und hierbei geht es nicht um Nahrungsmittel in der Dritten Welt, sondern um Lebensmittel, die in Industrienationen in den Müll wandern, weil das Etikett das suggeriert, obwohl die Ware noch genießbar ist. Dass Produkte noch weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) hinaus gut verträglich für die Gesundheit sind, weiß nicht nur der mutige Verbraucher, der den Joghurt probiert, obwohl sein Stempel anzeigt, dass er eventuell nicht mehr gut sein könnte, sondern auch Industrie, Handel und Politik.
Ungeliebte Ware wird immer beliebter In Sheffield, in Großbritannien, haben die Geschäftsmänner Dan Cluderay und sein Partner Andy Needham abgelaufene Nahrungsmittel in ein erfolgreiches Business verwandelt. Mit ihrem Unternehmen ‚Approved Food’ kaufen sie Lebensmittel in großen Mengen von Großhändlern und Supermärkten auf, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bald erreicht ist oder bereits überschritten wurde, und verkaufen sie an Kunden weiter.
Die Geschäftsleute Dan Cluderay und sein Partner Andy Needham beliefern mit ihrem Unternehmen Approved Food etwa 600 Haushalte täglich mit abgelaufenen oder bald ablaufenden Lebensmitteln. Foto: Approved Food
In dem Sortiment finden sich vor allem Konserven, Haushaltswaren und Trockenprodukte, aber auch Möhren, Äpfel und Zitronen. Eben alles, was lange haltbar ist und nicht schnell verdirbt. Auch Sonderartikel mit saisonbezogener Gestaltung wie etwa Weihnachts- oder Ostermotiven werden bei den Briten weiterverkauft. Das hilft nicht nur dabei, Lebensmittelverluste- und –verschwendungen zu vermeiden, sondern auch dem Verbraucher selbst. Kunden sparen bei ‚Approved Food’, so verspricht das Unternehmen, rund 70 Prozent gegenüber dem regulären Einzelhandelspreis. "Keines unserer Produkte hat negative gesundheitliche Folgen", beteuert Cluderay.
Die britische Lebensmittelkette setzt auf schiefes Obst und bietet in ausgewählten Märkten abgelaufene oder nicht verkehrsfähige Waren an – wie eben diese schiefen Karotten. Foto: Asda Stores Limited. http://your.asda.com/news-and-blogs/we-re-extending-our-range-of-wonky-fruit-and-veg
Kein MDH für Nudeln, Mehl oder Reis In Großbritannien wird schon lange unterschieden zwischen ‚Best-by’-Angaben für Produkte, die nach dem angegebenen Datum nicht zwangsweise ungenießbar sein müssen und ‚Use-by’-Produkten, deren Zeichen für leicht verderbliche Lebensmittel wie Milch- und Fleischprodukte verwendet wird. In Deutschland könnte es dem Mindesthaltbarkeitsdatum bald an den Kragen gehen. So lautet zumindest eine Presseschlagzeile, die nach einem Interview mit dem deutschen Ernährungsminister Christian Schmidt entstand.
Tatsächlich plant das Ministerium bei haltbaren Mitteln wie Nudeln, Reis und Mehl langfristig auf ein Mindesthaltbarkeitsdatum zu verzichten und lediglich ein Herstellungsdatum zu nennen. Das bereits existierende Verfallsdatum für empfindliche Lebensmittel wie etwa Hackfleisch, Räucherlachs oder Geflügel soll erweitert werden. Erwartet wird nach Angaben des Ministers zudem eine Änderung der zugehörigen EU-Richtlinie über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) gibt an bis zu welchem Termin ein Lebensmittel bei sachgerechter Aufbewahrung ohne wesentliche Einbußen bei Geschmack und Qualität ohne gesundheitliches Risiko konsumiert werden kann. Foto: Björn Wylezich / fotolia.com
Beautiful on the Inside oder wie Verpackungen aufklären Handel und Industrie engagieren sich gezielt, um Verschwendung und Verluste von Nahrungsmitteln zu verhindern. Die großen britischen Supermarktketten ‚Asda’ und ‚Sainsbury’s bieten in ausgesuchten Filialen abgelaufene oder leicht beschädigte Waren an. Ganz nach dem Slogan von ‚Asda’ „Beautiful on the Inside“ für Obst und Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern.
Das Frischesiegel „Bump Mark“ macht dank eingebetteter Gelatineschicht in der Verpackung fühlbar, ob das Lebensmittel noch gut ist oder bereits verdorben. Foto: www.design-by-sol.com
Die Industrie, und weit voran die Verpackungsindustrie, hat zudem innovative Lösungen im Angebot, um unnötiger Entsorgung von Lebensmitteln vorzubeugen. Intelligente und aktive Verpackungen mit elektronischen Chips oder Sensoren zeigen an, ob das Produkt noch zweifelsfrei genießbar ist. Dies kann beispielsweise über eine Farbskala von Grün bis Rot verdeutlicht werden oder über konkrete Temperaturangaben. Durch spezielle Sauerstoff absorbierende Folien können Lebensmittel zudem haltbarer gemacht werden und schädliche Mikroorganismen durch gepulstes Licht zerstört werden.
Foto: Approved Food
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Mindesthaltbarkeitsdatum und dem Verfallsdatum?
Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) gibt den Zeitpunkt an, bis zu dem das ungeöffnete und richtig gelagerte Lebensmittel mindestens seine spezifischen Eigenschaften wie Geschmack, Geruch, Farbe, Konsistenz und Nährwert behalten muss. Es ist also kein Verfallsdatum, sondern lediglich die Garantie des Herstellers für bestimmte Qualitätseigenschaften.
Das Verfalls- oder Verbrauchsdatum gilt für leicht verderbliche Lebensmittel, die nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gesundheitsgefahr darstellen können. Das Verbrauchsdatum nennt den letzten Tag, an dem das Lebensmittel noch verzehrt werden darf. Tag, Monat und gegebenenfalls das Jahr stehen entweder direkt hinter dem Wortlaut "zu verbrauchen bis", oder es muss dort angegeben werden, wo sich das Datum auf der Verpackung befindet.
Hoher Bedarf an Aufklärung In Deutschland denken nur neun Prozent, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum anzeigt, dass das Lebensmittel nicht mehr genießbar ist. In Griechenland tun das hingegen 54 Prozent. Aber Achtung! 42 Prozent der Deutschen gaben an, dass Produkte nach dem Verfallsdatum noch genießbar seien.
Der deutsche Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) will die Nahrungsmittelverschwendung bis 2030 halbieren. "Wir werfen massenweise gute Lebensmittel weg, weil die Hersteller zu große Sicherheitspuffer eingebaut haben." Foto: BMEL/photothek/Michael Gottschalk